Mich brachte ein Taxifahrer von der Krim zum Bahnhof, von wo aus es weiter in den Donbass geht. Er kam zwar schon vor 32 Jahren, also noch zu Sowjetzeiten, nach Kiew, aber seine Verwandten leben noch dort. Ich fragte, ob er Tatare sei, was er verneinte. Nach seiner Meinung wollten die Leute auf der Krim „zurück“ nach Russland, wobei sie jetzt dafür „zahlen“. Strom und Wasser kommt von der Ukraine und ist nur bedingt verfügbar.

Als er mich fragte, wohin meine Reise geht und ich meinte, Richtung Donbass, warnte er mich, dass dort geschossen würde. Der Krieg selbst sei von Russland gewollt, aber auch in der Ukraine hätten gewisse Leute Interesse, weil sie davon profitieren. Das höre ich eigentlich sehr oft.

Wir sprachen auch über die „Revolution der Würde“. Auf dem Maidan war er nicht, berichtete aber stolz, dass er half, indem er Leute in diesen Tagen kostenlos zum Maidan brachte. Was sollte er auch als Taxifahrer dort machen? Er wurde sogar von der Miliz bei einer seiner Fahrten angehalten und verhört. Daraufhin riet er seinen Passagieren, sie sollten in solchen Fällen angeben, dass sie ihn bestellt hätten und für die Fahrt bezahlen würden.

Über Putin meinte mein Fahrer, dass er krank sei und Russland ins Chaos stürze. Ihm gehe es darum, die Ukraine zu destabilisieren. Ihm falle es auch schwer, sich für irgendetwas zu entschuldigen. Die Deutschen hätten für den Überfall auf die Sowjetunion und die Massenermordung an Juden die historische Verantwortung und vor allem Aufarbeitung übernommen. Er meinte, das sei Schröder gewesen, doch wir stellten dann fest, dass er Willy Brandt mit seinem Kniefall in Polen meinte. Die Sowjetunion allerdings, deren „juristisches Erbe“ Russland und damit Putin trägt, hat sich niemals bei den Ukrainern für den Holodomor entschuldigt.

Hierauf meinte ich, dass selbst die jüngsten Verbrechen nicht thematisiert würden, wie der Krieg in Tschetschenien, in Georgien oder jetzt in der Ukraine, aber auch das Unglück der Kursk… Er stimmte zu und nannte zusätzlich noch den Abschuss der Boing, bei dem viele Kinder ums Leben kamen.

Am Bahnhof angekommen, wünschte er mir eine gute Reise und ich bedankte mich für das angenehme Gespräch. Im Zug selbst hätte ich erwartet, dass ich auf viele uniformierte Soldaten treffe, doch prinzipiell sind es fast nur Leute in Zivil. Zwar sah ich am Bahnhof mehrere Uniformierte, aber nicht so, dass es wirklich auffällig wäre.

Nun fahre ich an einem Fensterplatz bei anbrechendem Tag der Sonne entgegen. Mal sehen, was mich die nächsten Tage erwartet…